111 GRÜNDE, WIEN ZU HASSEN
Beschreibung
Mit der eigenen Stadt ist es oft wie mit den eigenen Eltern: Die guten Eigenschaften sieht man nicht, und die schlechten gehen auf einen über. Herzlich willkommen in Wien!
Seit einiger Zeit erlebt Wien eine regelrechte Renaissance als Weltstadt – sowohl Monocle, als auch das Zeit Magazin, The Guardian und sogar die Washington Post sind begeistert. Einige loben es schon als das neue Berlin.
Eines haben all die Schmachtstücke gemeinsam: Sie stammen von Autoren, die nur zu Besuch oder auf der Durchreise hier vorbeikommen. Dieses Buch zeigt die Stadt so, wie man sie als langjähriger Einwohner erlebt; als reaktionäres Nest mit vielen schönen Fassaden, aber nur ganz wenig Inhalt und einer reichen Tradition an Verdrängung, Morbidität und Verlogenheit.
Bereits mit seinem Artikel »Gründe, warum Wien die beschissenste Stadt der Welt ist« schlug Markus Lust in Wien und Österreich hohe Wellen. Jetzt folgt auf den Online-Beitrag das komplette Kompendium zu den Schattenseiten der Donaustadt; zum Aufregen, Zustimmen oder sadomasochistischen Urlaubplanen.
- Der Reiseverführer der anderen Art
- Wien von seiner schlechtesten Seite
- Das Geschenkbuch für alle Österreicher.
Markus Lust
111 GRÜNDE, WIEN ZU HASSEN
Die Stadt so, wie sie wirklich ist
232 Seiten | Taschenbuch
ISBN 978-3-86265-608-0
DAS THEMA
Wien gilt als Geburtsort des Schnitzels, Wiege der Hochkultur und Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Das klingt so weit ziemlich sensationell, bis man die eine Sache tut, die Wiener am wenigsten ausstehen können: nämlich ihre Postkarten-Idylle hinterfragen.
Dann bemerkt man ziemlich rasch, dass das Schnitzel eigentlich aus Mailand kommt, die Hochkultur hier nur noch im Museum existiert und die Daten zur Lebensqualität von einem Personalunternehmen erhoben werden, das alljährlich gut situierte Auslandsmitarbeiter befragt, in welcher Stadt man sich mit viel Taschengeld am besten vor der rauen Realität des 21. Jahrhunderts verstecken kann.
Das klingt zwar weitaus weniger sensationell, beschreibt aber viel besser, was Wien wirklich ist: nämlich ein Ort des charmanten, walzertanzenden Selbstbetrugs und der mondänen Verlogenheit. Hinter jedem »Küss die Hand« lauert ein »Heast, Gschissener«, hinter jedem Minderwertigkeitskomplex ein bisschen Größenwahn – und hinter jeder Ecke ein Haufen Hundekot.
EINIGE GRÜNDE
Weil die Kaffeehaus-Kultur genauso echt ist wie Disney-Land. Weil Wien von einem Minenfeld aus Hundekacke durchzogen ist. Weil man hier Fadesse mit Lebensqualität verwechselt. Weil es mehr Regeln als Einwohner gibt. Weil der bürokratische Apparat von Kafka stammen könnte. Weil sich die Sonntage hier wie im Dorf anfühlen. Weil Wien hoffnungslos überaltert ist. Weil der Kaffee in Wahrheit letztklassig ist. Weil wir uns Künstler nur als Hofnarren halten. Weil Knausrigkeit hier eine Tugend darstellt. Weil Wien die stilloseste Großstadt der Welt ist. Weil sogar die Promis hier provinziell sind. Weil die Wiener Unfreundlichkeit mit Charakter verwechseln. Weil man hier noch in Postkarten statt in Schnappschüssen denkt. Weil Wien immer noch der Vergnügungspark der katholischen Kirche ist. Weil es das Schlechteste aus den Menschen herausholt. Weil der »Staatsfeind« der Medien ein harmloser Sprayer ist. Weil die Welt hier immer noch 50 Jahre später untergeht. Weil die Imbissbuden Zeitreisekapseln in die 90er sind. Weil wir unseren Minderwertigkeitskomplex mit Größenwahn ausgleichen.
LESEPROBE
Wien ist eine Theaterstadt. Und damit meine ich nicht, dass es die Heimat des Burgtheaters ist, wo Thomas Bernhards berühmtes Stück »Heldenplatz« uraufgeführt wurde und für einen Skandal sorgte. Ich meine, dass Wien eine einzige große Bühne ist, deren Bewohner alle zum Ensemble gehören: Nichts ist echt, alles ist Drama, keiner räuspert sich zu laut, jeder hat einen Platz hinter den Kulissen, von wo aus man dem Publikum aus Touristen und »Zugereisten« genüsslich dabei zusehen kann, wie es in die Falle tappt.
Und Fallen gibt es hier überall. In der Sprache, von der die Wiener gerne mit kokaingleicher Realitätsverweigerung behaupten, es wäre Hochdeutsch; in den Kaffeehäusern, die eigentlich nur noch Las-Vegas-Karikaturen ihrer selbst sind; und auch in den Sehenswürdigkeiten, die vor perversen Details (an der Fassade des Stephansdoms) und optischen Täuschungen (in der Form des österreichischen Parlaments) nur so strotzen. Kommen Sie, schauen Sie, und bitte gehen Sie danach auch wieder. Markus Lust